Tuning beginnt bei den Bremsen

„Womit fange ich an“ – das war die Frage, die ich mir damals vor meinem ersten Tuningprojekt stellte. Ich hatte nicht viel Geld in der Lehre und auch nicht sonderlich Ahnung. Mein Golf IV sollte auf jeden Fall schneller, tiefer und breiter werden. Alle Embleme verschwinden lassen und Rundum-Verkleidung inklusive bösem Blick. Das war meine Vorstellung von einer geilen Karre. Dann noch eine neue Lackierung und das alles mit gerademal tausend Mark im Monat. Was fehlt? Ich hatte schlicht und einfach die Bremsanlage nicht auf dem Schirm.

Aber warum sollten die Bremsen beim Tuning immer an erster Stelle stehen?

Weil eine überlastete Bremse im falschen Moment ausfällt

Dass die Bremse beim Tuning ein stiefkindliches Dasein führt, wird wohl kaum jemand bestreiten. Denn wenn der grell lackierte Bremssattel durch die blickdurchlässigen Sportfelgen lugt, dann macht das nicht ganz so viel her wie beispielsweise ein Ehrfurcht einflößender Sound oder ein ausgefallener Lack.

Ein kurzer effizienter Bremsweg beeindruckt auf den ersten Blick halt nicht. Er wird erst interessant, wenn es um bessere Zeiten geht und das Fahrzeug später und stärker vor den Kurven abbremsen soll. Bei diesem Fahrstil stoßen Serienbremsen oft an ihre Grenzen. Denn heftige Bremsmanöver in kurzen Abständen, aber auch dauerhaftes Bremsen bei langen Bergabfahrten, führen zu einer Überhitzung der Bremse. Durch die erhöhte Temperatur sinkt der Reibwert zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe. Hinzu kommt, dass der Bremsbelag bei großer Hitze an der Kontaktfläche Gase freisetzt, die zusätzliche wie ein Puffer wirken und die Bremsleistung weiter reduzieren. Im Extremfall bilden sich Risse auf der Bremsscheibe oder die Hitze wird über den Bremssattel an die Bremsflüssigkeit abgeleitet. Unter ungünstigen Umständen kann es zu Fading kommen, zu Dampfblasenbildung in der Bremsflüssigkeit, und das Bremspedal ist nicht mehr brauchbar.

Spätestens beim Bremsenwechsel fallen Anzeichen für thermische Überlastung schnell auf: Ein bläulicher Schleier auf der Bremsscheibe, ein welliger Rand oder feine Risse sprechen für eine sehr starke Hitzeeinwirkung, die zur Verformung geführt hat. Auch brüchige, poröse oder glasige Bremsbeläge deuten auf deutlich zu viel Temperatur hin. Kannst du alle technischen Ursachen ausschließen, wie beispielsweise ein festsitzender Bremssattel, dann solltest du entweder deinen Fahrstil überdenken oder deine Bremsanlage höher auslegen.

Geballte Power braucht eine angepasste Bremsanlage

Bei weitreichenden Maßnahmen muss die Bremsanlage immer gesamt betrachtet werden. Vorne fette Mehrkolbenzylinder einzubauen macht keinen Sinn, wenn der Rest der Anlage nicht darauf abgestimmt ist. Denn mehrere Kolben benötigen ein größeres Volumen an Bremsflüssigkeit, um den Druck aufzubauen, der die Beläge auf die Scheibe presst. Ersetzt man vorne lediglich die herkömmlichen Bremssättel durch sportliche Mehrkolbensättel, dann muss der Fahrer das Bremspedal kräftiger treten, bis die erwünschte Bremswirkung erreicht ist. An der Hinterachse verändert sich die Menge der benötigten Bremsflüssigkeit nicht, weshalb hier die Bremskraft dann entsprechend stärker ausfällt. Deshalb muss bei solch einem Umbau auch die Auslegung des Hauptzylinders und der Pedalweg einbezogen werden.

Die meisten privaten Tuning-Maßnahmen bewegen sich jedoch eher in einem überschaubaren Rahmen, bei dem die Bremsanlage nicht gleich auf Rennsportniveau hochgerüstet werden muss. Oft reicht die gezielte Ableitung der Hitze aus und dafür gibt es ganz gute Möglichkeiten:

  • Wärmebehandelte Bremsscheiben werden nach der Herstellung einmal stark erhitzt, dadurch steigt die Hitzebeständigkeit.
  • Bei belüfteten Bremsscheiben wird über die Lüftungskanäle die Umgebungsluft eingesaugt, erwärmt und wieder abgeführt. Die Zentrifugalkraft verstärkt den Effekt, je schneller sich die Bremsscheibe dreht.
  • Bei gelochten und geschlitzten Bremsscheiben kann Nässe und Bremsstaub schneller von der Bremsreibfläche abtransportiert werden.
  • Über Lüftungskanäle oder Leitbleche wird der kühlende Luftstrom zielgerichtet der Bremsscheibe zugeführt.
  • Carbon-Keramik Bremsen sind hitzebeständig, leicht, korrosionsbeständig, weisen hohe Reibwerte auf und erzeugen kaum Bremsstaub. Ein Nachteil dieser sehr kostenintensiven Bauteile stellt die schlechte Wärmeleitfähigkeit dar: Temperaturen weit über 1000°C halten die Bremsen zwar problemlos aus, allerdings muss das Umfeld auch entsprechend konstruiert sein.

Zumindest in Hinsicht auf Bremsen und Tuning hat sich an meiner Einstellung seit meiner Lehre so einiges geändert: Nach Jahren der tiefen Einblicke im Versuch der Automobilindustrie bin ich heute Fachautor bei repareo.de, gebe Tipps zu Reparaturen und predige Sicherheit im Verkehr. Darum kann ich nicht anders als: Verwende für deine Bremsanlage nur hochwertige Komponenten von Markenherstellern, billig zahlt sich in keiner Weise aus. Konstante Qualität und gewissenhafte Verarbeitung haben natürlich ihren Preis, doch der ist es wert. Denn billige No-Name Teile sind häufig nur eingeschränkt wirksam und meist schneller runtergefahren.